Marc-Philipp Meyer, Kapitalmarkt-Spezialist im Treasury der Berliner Volksbank kommentiert: "Im Kampf gegen die Inflation erhöht die EZB nunmehr zum sechsten Mal in Folge die Zinsen. Im historischen Kontext hat sie damit seit Bestehen des Euros Beispielloses geschafft, wenn man auf die Höhe der ununterbrochenen Zinsanstiege um insgesamt 350 Basispunkte abstellt. Mit diesem Schritt beweist die EZB Kontinuität in einem nervösen Marktumfeld und sorgt so für Beruhigung.
Bis zur letzten Woche waren sich die Experten über diesen Zinsschritt noch allesamt einig und sicher. Die Notenbanker hatten bereits im Vorfeld durch unmissverständliche Kommunikation den Weg für die heutige Anhebung geebnet. Die jüngsten Turbulenzen jedoch rund um die Insolvenz der US-amerikanischen Silicon Valley Bank und die dann gestern mit stark fallenden Notierungen gesehene Credit Suisse haben Zweifel an einem „weiter so“ aufkommen lassen. Das ist verständlich, denn im Spannungsfeld von Inflationsbekämpfung und Sicherung der Finanzmarktstabilität wird es für die Notenbanker immer anspruchsvoller, die Zinszügel weiter zu straffen und Augenmaß zu wahren.
Unser Ausblick: Die Notenbankpolitik wird unvermindert die Entwicklung des Preisdrucks und der Inflationsdynamik im Blick behalten. Der Anstieg der Verbraucherpreise setzt sich hartnäckiger fort als erwartet und erhofft. Knackige Inflationsdaten im Februar deuten auf eine breit angelegte Inflation hin, auch wenn die Rate nominal leicht niedriger als noch im Januar notierte. Treiber waren nunmehr nicht die volatilen Energie- und Rohstoffpreise, die im Vergleichszeitraum sogar gefallen sind.
Auf den unerwarteten und vergleichsweise kräftigen Anstieg der Kernrate schauen die Notenbanker sicherlich mit Sorge. Aus dieser Sicht heraus müsste der Zinserhöhungspfad länger aufrecht erhalten werden. Andererseits materialisieren sich die Folgen des globalen Zinsanstiegs in Form von Krisen, die wiederum rezessionelle Tendenzen mit sich bringen. So hat allein Goldman Sachs die US-Wachstumsprognose in Folge der dortigen Bankenkrise bereits nach unten revidiert. Gute Argumente für die Tauben, der weiteren Straffung der Geldpolitik ein Ende zu bereiten. Die nächste EZB-Ratssitzung mit Zinsentscheidung ist für den 04.05.2023 angesetzt. Die DZ Bank erwartet in ihrer letzten Studie noch einen letzten Zinsschritt von 25 BP. Diese Ansicht teilen wir. Das Ende des Zinserhöhungszyklusses sollte damit erreicht sein."