Aktuelles zu Finanzmärkten und Konjunktur

Wocheninfo vom 20.11.2023

  • Bundesbank-Chef Nagel offen für Erhöhung der Mindestreserve
  • Aktien: Positive Woche aufgrund der Inflationshoffnungen
  • Anleihen: Leichte Renditerückgänge
  • Devisen: Euro verzeichnet Zugewinne
  • Rohstoffe: Ölpreis vorerst wieder stabilisiert
  • Konjunkturerwartungen erstmals wieder positiv
  • Über ein Drittel mehr Firmenpleiten
  • Leichtes Minus des Euroraum-BIP bestätigt
  • Rückläufige Euroraum-Industrieproduktion

Bundesbank-Chef Nagel offen für Erhöhung der Mindestreserve

Die Geldpolitik des Eurosystems werde erst 2024 voll auf die Inflation wirken, erklärte Bundesbankpräsident Joachim Nagel auf dem 33. Europäischen Bankkongress in Frankfurt am 17.11.2023. Denn sie wirke über den Umweg der volkswirtschaftlichen Gesamt-nachfrage, die erst sinken werden müsse, um die Inflation verlässlich zu bremsen. Bis die Inflation auf den Zielwert von 2 % verlangsamt ist, müssten die Zinsen hoch bleiben. Das brauche Zeit.

Nagel rückte die Transmission der Leitzinsen in den Vordergrund seiner Überlegungen: Die Leitzinsen erhöhen die Refinanzierungskosten. Das senkt Kreditangebot und –nachfrage. Dadurch fällt die Gesamtnachfrage.

Die Daten zum Kreditgeschäft zeigten laut Nagel, dass dies funktioniere. Beim Einlagen-geschäft sei das Bild gespaltener. Zwar wären die Termingeldzinsen im Einklang mit Bundesbankprognosen gestiegen. Die Zinsen für Tagesgeld stagnierten aber auf geringem Niveau. Für die Zinsdifferenz seien die substantiellen Abflüsse von Termingeld daher niedriger, als zu vermuten wäre.

Dahinter vermutet die Notenbank eine mögliche Hürde ihrer Transmission. Die Logik lautet: Geringere Einlagenzinsen der Kunden bedeuten geringere Refinanzierungskosten, stabilisieren damit die Kreditvergabe, somit die Nachfrage und schließlich den Preisdruck.

Gleiches gelte für die Überschussreserven. Laut Forschung der Bundesbank schränkten Banken mit höheren Überschussreserven ihre Kreditvergabe weniger ein als jene mit geringeren Überschussreserven. Sie profitierten dabei von der Verzinsung dieser Reserven und davon, dass diese anders als langfristige, niedrig verzinste Anlagen nicht in der Bilanz abgewertet werden müssten. Ob der so stabileren Kreditvergabe, die die Transmission behindern könnte, schloss Nagel eine „moderate Erhöhung“ der Mindestreserve auf 2 % explizit nicht aus. Dort habe sie im Eurosystem lange gelegen.

Die Folgen einer solchen Erhöhung behandelte Nagel nicht. Die hohen Kosten der unverzinsten Mindestreserve belasten die Banken erheblich, besonders einlagenstarke Institute. Sie mindern deren Möglichkeiten zur Eigenkapitalthesaurierung und dämpfen so künftige Kreditvergabemöglichkeiten. Angesichts der hohen Finanzierungsbedarfe für Dekarbonisierung und Digitalisierung ist das bedenklich. Umgekehrt könnten höhere Reserveanforderungen gerade jene Institute mit weniger Überschussreserve belasten. Diese könnten die Anforderungen nicht unter Ertragsverlust aus der Überschussreserve decken, sondern müssten sich zu Zinswendekonditionen neu finanzieren und dafür gegebenenfalls ihr Geschäft umstrukturieren. Das könnte destabilisierende Folgeeffekte entwickeln.

Aktien: Positive Woche aufgrund der Inflationshoffnungen

Der DAX legte in der vergangenen Woche um 4,49 % auf 15.919,16 Punkte zu. US- und europäische Leitindizes entwickelten sich ebenfalls positiv. Der breite S&P 500 der USA stieg etwa um 2,24 %. Dahinter stehen die besser als erwarteten Inflationszahlen der USA für den Oktober, vermutlich aber auch die bisher erfolgreiche Begrenzung des Gazakonfliktes und die wiederkehrende Dynamik der Jahresendrallye.

Anleihen: Leichte Renditerückgänge

Auch die Anleihenkurse profitierten von den US-Inflationszahlen. Entsprechend gingen die Renditen leicht zurück. Die zehnjährige Bundesanleihe warf zum Wochenschluss noch 2,59 % ab, ein Rückgang um 12 Basispunkte. Für die Rendite der gleichlangen US-Anleihe ging es 18 Basispunkte abwärts, auf 4,44 %.

Devisen: Euro verzeichnet Zugewinne

Wenn die Inflationserwartungen für die USA sinken, hilft das dem Euro-Wechselkurs. Denn es bedeutet, dass die Leitzinsen dort schneller zurückgehen könnten als erwartet, was das relative Zinsumfeld im Euroraum verbessert. Folglich konnte der Euro in der Vorwoche zulegen und schloss mit 1,09 Dollar zum Euro 2,12 % im Plus.

Rohstoffe: Ölpreis vorerst wieder stabilisiert

Das Barrel Rohöl der Sorte Brent kostete Ende vergangener Woche 81,22 Dollar. Der Kurs fiel damit zur Vorwoche noch einmal leicht. Der zentrale Energierohstoff kostete damit 5,47 % weniger als noch vor drei Monaten, also vor dem Angriff der Hamas auf Israel. Er kostet zudem 10,75 % weniger als vor einem Jahr, in der Energiekrise.

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Konjunkturerwartungen erstmals wieder positiv

Angesichts der allmählich nachlassenden Inflation und der dadurch gesunkenen Wahrscheinlichkeit für weitere Leitzinsanhebungen sind die ZEW-Konjunkturerwartungen für Deutschland erneut gestiegen. Der anhand einer Umfrage unter Finanzmarktfachleuten ermittelte Stimmungsindikator kletterte gegenüber dem Vormonat um 10,9 Punkte auf 9,8 Punkte, nachdem er bereits im September und Oktober zugelegt hatte. Die Umfrageteilnehmer rechnen erstmals seit April wieder überwiegend damit, dass sich die Wirtschaftslage hierzulande in den kommenden sechs Monaten verbessern wird. Auch die aktuelle Situation wurden von den Fachleuten insgesamt besser bewertet als zuvor. Der entsprechende ZEW-Lageindikator stieg allerdings nur geringfügig um 0,1 Punkte auf -79,8 Punkte. Alles in allem erhärten die jüngsten Umfrageergebnisse den Eindruck, dass die konjunkturelle Talsohle in Deutschland erreicht ist.

Über ein Drittel mehr Firmenpleiten

Vor dem Hintergrund der langwierigen gesamtwirtschaftlichen Schwächephase und der vielfach kräftig steigenden Kosten tendieren die Unternehmensinsolvenzen in Deutschland weiter nach oben. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden von den Amtsgerichten im August 1.556 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Die Zahl der Firmenpleiten ist damit gegenüber dem entsprechenden Vorjahres-monatswert um 35,7 % gestiegen. Auch bei den Gläubigerforderungen war im August ein Anstieg zu verzeichnen. Die Summe dieser Forderungen ist im Vorjahresmonatsvergleich von rund 0,8 auf etwa 1,8 Mrd. Euro gestiegen. In naher Zukunft ist mit weiter steigenden Insolvenzfällen zu rechnen. Hierauf lässt auch der amtliche Schnellindikator zu den beantragten Regelinsolvenzen schließen. Diese lag im Oktober um 22,4 % über seinem Vorjahresmonatswert. Nicht nur die Unternehmensinsolvenzen, auch die Verbraucherinsolvenzen sind jüngst gestiegen. Sie legten im August um 8,6 % auf 5.843 Fälle zu.

Leichtes Minus des Euroraum-BIP bestätigt

Eurostat hat inzwischen detaillierte Angaben zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Euroraums im 3. Quartal veröffentlicht. Das zentrale Ergebnisse der Ende Oktober veröffentlichten ersten Angaben wurde dabei bestätigt. So ist das preis-, kalender- und saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt (BIP) gegenüber dem Vorquartal geringfügig um 0,1% gesunken. Im 2. Quartal hatte die Wirtschaftsleistung noch um 0,2 % zugelegt. In Deutschland, der größten Volkswirtschaft des Währungsraums, sank das BIP im Einklang mit der Gesamtentwicklung um 0,1 %. Die anderen Euroraum-Schwergewichten erfuhren eine günstigere Entwicklung. So ist das BIP in Spanien und Frankreich um 0,3 % beziehungsweise 0,1 % gestiegen, während es in Italien stagnierte. Maßgeblich für den Rückgang des Euroraum-BIP dürften die privaten Konsumausgaben gewesen sein, welche durch die nur langsam schwindende Inflation gedämpft wurden. Erste Angaben zur Entwicklung des Privatkonsums und der übrigen BIP-Verwendungskomponenten wird Eurostat am 7. Dezember vorlegen.

Rückläufige Euroraum-Industrieproduktion

Im Euroraum ist die Industriekonjunktur weiterhin schwach. Die industrielle Produktion ist im September gegenüber dem Vormonat preis-, kalender- und saisonbereinigt um 1,1 % gesunken. Der leichte Anstieg vom August (+0,6 %) wurde damit zunichtegemacht. Der Produktionsrückgang war innerhalb der Industrie breit angelegt. Am deutlichsten fiel das Minus bei den Herstellern von Ge- und Verbrauchsgütern mit jeweils -2,1 % aus. Lediglich bei den Herstellern von Investitionsgütern kam es, entgegen der allgemeinen Tendenz, zu einem leichten Produktionsplus um 0,3 %. In den nächsten Monaten dürfte die Industrieproduktion zunächst schwach blieben. Hierauf lässt zumindest der Order-Indikator der EU-Kommission schließen. Der Indikator blieb im Oktober im Vergleich zu den Vormonaten nur wenig verändert bei niedrigen -18,6 Punkten.

Quelle: Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken – BVR